Hilfsverein rettet abgestürztes Falkenkind vor dem Tod

Am Pfingstsonntag waren wir noch einmal gegen Mittag zu letzten Aufräumarbeiten nach dem großen Strick-Event mit Schwarzromantikern in unseren Räumen in der Gerberstraße. Am Eingang des Hauses zur Straßenseite hin (6-spurige Hauptstraße) sahen wir auf der Wiese einen seltenen, großen Vogel sitzen. Wir dachten uns nichts weiter dabei, vielleicht sucht er nur Mäuse. Wir vermuteten aber, dass es mit dem Falkennest auf dem nahe gelegenen Hotel The Westin zusammen hängt.

Als wir wieder gehen wollten, saß das Tier am anderen Eingang unseres Hauses auf der Hofseite. Dabei bemerkten wir, dass er nicht fliegen konnte, eine Feder abstand und beim Weglaufen humpelte. Da wir kein Handy und auch kein Auto dabei hatten, baten wir eine Passantin, über den Notruf 112 die Tierrettung, die bekanntlich bei der Feuerwehr ansässig ist, zu alarmieren. Dort hatte man aber keine Ahnung und verwies uns an die Tierklinik, die wiederum meinte, dass Tierheim sei zuständig. Von da kam der Rat, das Tier einzufangen und zu einem Falkenhof zu bringen. Die junge Frau, die sich redlich bemüht hatte, telefonisch etwas zu erreichen, meinte: Wir werden wohl der Natur ihren Lauf lassen müssen. Es ist uns unver­ständlich, dass es in einer Stadt wie Leipzig keine funktionierende Tierrettung gibt.

Damit wollten wir uns einfach nicht zufrieden geben. Dem Verwalter unseres Vereins, Dirk Thiele, kam die Idee, in das benachbarte Hotel zu gehen und nach einem Ansprechpartner für das Falkennest zu fragen. Da wir gesehen haben, dass der Vogel an beiden Füßen beringt war, musste er ja irgendwo hingehören. Die Damen an der Rezeption waren erst ziemlich ratlos, weil das Falkennest nichts mit dem Hotel zu tun hat, sondern extern betreut wird. Herr Thiele ließ sich aber nicht abwimmeln, blieb weiter hartnäckig. Nach einer geschätzten halben Stunde kam die Frau von der Hotelrezeption wieder und brachte die Marketing-Chefin mit. Nun kam einiges ins Rollen. Zusammen mit den beiden Frauen und zwei Männern des Hotels ging es zur Fundstelle des Tieres. Die Vorsitzende unseres Vereins, Johanna Thiele, hatte in der Zwischen­zeit ein Bettlaken um den Vogel gespannt, um ihn vor den vielen Hobby-Fotografen und vorbei­laufenden Hunden zu schützen. Ein Hotelmitarbeiter nahm ihn dann mit dicken Handschuhen in die Hand, identifizierte ihn als Hotelfalken und steckte ihn in einen Bananenkarton. Man ver­sprach uns, ihn in die Tierklinik zu bringen. Er war also gerettet.

Später erfuhren wir den Zusammenhang: Erst kurz nach Ostern waren in dem Nest vier Jungtiere geschlüpft, die Mitte Mai beringt wurden. Bei Flugversuchen muss etwas schief gegangen sein. Der Tierarzt hat keine ernsthaften Verletzungen festgestellt. Er war nur sehr erschöpft und für sein Alter zu dick und zu schwer. Wahrscheinlich hat ihn die Mutter zu gut genährt und er ist beim Fliegen sehr unsanft auf dem Boden aufgekommen. Zwei Tage später wurde ein anderes Jungtier auf der anderen Seite des Hotels an Löhrs Carré von Passanten gefunden. Auch dieser Falkenjunge war nicht ernsthaft verletzt. Bei den anderen beiden Jungfalken hat bei den Flugübungen alles geklappt. Auf jeden Fall ist die Familie jetzt wieder zusammen und der Nachwuchs wird bald für immer ausfliegen.

Jahrelang lebten Turmfalken in dem Nistkasten, der sich auf einem Mauervorsprung in der 27. Etage vor den Fenstern des Restaurants Falco befindet. Leipzigs höchstes Zwei-Sterne-Restaurant wurde extra nach den Vögeln benannt. Dieses Jahr sind erstmals Wanderfalken in das Nest eingezogen. Wanderfalken sind eine absolut seltene und streng geschützte Greif­vogelart, die lange Zeit als fast ausgestorben galt. Es grenzt an eine Sensation, dass im Zentrum einer Großstadt in 95m Höhe auf einem Hotel ein Brutpaar heimisch geworden ist und 4-fachen Nachwuchs bekommen hat. Wir danken den Mitarbeitern des Hotels The Westin für ihre spontane Hilfe, obwohl das sicherlich nicht zu ihren normalen Aufgaben gehört. Wir hoffen auf ein weiterhin gutes Miteinander zwischen Mensch und Tier.
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